Die Kirche vor 100 Jahren zur Zeit des Jugendstils
Jubiläum: Orgel, Taufbecken, Kronleuchter und Gestühl
1914 und 1915 in den beiden ersten Kriegsjahren wurde die ev. St. Remigiuskirche unter der Bauleitung von Regierungsbaurat Reinhold Becker einer umfassenden Erneuerung unterzogen. Durch den Maler Berg erhielt die Kirche eine neue Ausmalung.
Von den zwei Pfeilern, die das Kirchengewölbe tragen, wurden die Farben und der Putz der Jahrhunderte bis auf die Naturfarbe des Sandsteins entfernt.
Eine Reihe neuer Fenster wurde in das Mauerwerk eingelassen, das Jahreskreisfenster im Süden erhielt seine ursprüngliche kreisrunde Form zurück und auf der Außenseite der Kirche wurde der Laubengang zu den Emporen angelegt.
1915 wurde eine neue Orgel eingebaut und im Erntedankgottesdienst feierlich eingeweiht, ein Taufbecken wurde auf der linken Seite des Chorraumes aufgestellt, ein elektrischer Kronleuchter und die Deckenbeleuchtung unter den Schlusssteinen der Gewölbe wurden installiert und das Gestühl sowie die drei Emporen wurden nahezu vollständig erneuert.
Die Orgel
Die heutige Orgel ist die 3. Orgel der Kirche. Die 1. Orgel von Alberti aus Dortmund setzte man nach dem 30-jährigen Krieg an die Turmseite. Die 2. Orgel mit 18 Registern fertigte 1840 der Orgelbauer Kersting aus Münster.
1915 wurde die jetzige Orgel romantischer Art von Paul Faust in Barmen gebaut und für 15.000.00 Mark von der Ev. Kirchengemeinde Mengede erworben. Die Orgel wurde möglichst weit in den Turm gesetzt, um Platz für den Kirchenchor zu gewinnen. Von den ursprünglich 24 Registern wurden später 2 Register entfernt.
Aus Anlass ihres 100-jährigen Bestehens wird es in Kooperation mit dem Heimatverein ein Orgelkonzert geben mit Werken, wie sie schon bei der Einweihung am 3. Oktober 1915 zu hören waren. Es wurde damals ein Eintrittsgeld von 1,00 Mark erhoben. Der Reinertrag war für den „Kriegsliebesdienst“ bestimmt.
Das Taufbecken
In Höhe der 3. Chorstufe steht auf einer quadratischen Sockelplatte das Taufbecken. Die schalenartige Kuppa (Steinschale) wird unter einem jeweiligen Unterzug von einem kannelierten Schaft mit vier vorgesetzten Engelsfiguren getragen. Den Rand der Kuppa schmückt eine umlaufende knorpelige Girlande. Gestaltet wurde der Taufstein aus fränkischem Sandstein von dem Künstler Aldensell.
Geschlossen wird das Taufbecken von einer prachtvollen, filigranen, gewölbten Haube. Die netzartigen Felder der Haube sind teils mit schneckenartig gewundenen Messingbändern gefüllt. Gekrönt wird sie durch einen tempelartigen Abschluss, der auf einer nach allen Seiten hin offenen säulengetragenen Zwerggalerie steht.
Der Betrachter könnte an die Vision des heiligen Jerusalem (Zion) denken, zu dem am Ende alle Völker kommen werden (Jesaja 35,10). Entworfen wurde die Haube von dem Architekten und Bauleiter Reinhard Becker.
Der Taufstein steht auch heute noch im Mittelpunkt der Taufgesellschaft. Die Engel symbolisieren gleichsam den derzeit beliebtesten Taufspruch Ps 9,11: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.
Kurzfassung: Der Jugendstiltaufstein aus fränkischem Sandstein wurde von dem Künstler Aldensell in der Form einer Halbkugel gestaltet. Gestützt wird er von von vier Engeln, die auf einem großen Quaderstein stehen. Der ajourgearbeitete prachtvolle Messingaufsatz wurde von dem Bauleiter Reinhold Becker entworfen. Er besteht aus Schneckenornamenten, gekrönt von einer tempelähnlichen Kuppel.
Der Kronleuchter
Der Jugendstilkronleuchter ist unter den Schlusssteinen des Vierungsgewölbes an Ketten mit Kugeln befestigt. An einem breiten Ring befinden sich filigrane Messingvoluten. Darin sind farbige Halbedelsteine eingefasst.
Die 16 Segmente an der ringförmigen Scheibe zeigen große kugelförmige Glühlampen, ergänzt durch weitere 8 kleine im inneren Ring. Darunter schließt der Leuchter mit einem parabelförmigen Korb ab, dessen Abbild sich unter allen Schlussteinen der Schiffsgewölbe wiederfindet. Auch der Kronleuchter wurde von Reinhold Becker entworfen.
Das Gestühl
Das umfangreiche Gestühl von 1840 wurde 1914/15 im romanisierenden Jugendstil zum wesentlichen Teil erneuert. Es wurde mit Schnitzwerk versehen, erhielt in der vorderen Reihe gedrehte doppelte Säulenstangen und obere knospenartige Abschlüsse.
Die übrigen Bänke zeigen in ihrer Gesamtheit einen perlenartigen oberen Abschluss. Die Kanzel von 1840 erhielt zur Anpassung an die die Emporen stützenden Jugendstilsäulen ebenfalls eine gedrehte Säule.
Zufällig entdeckt wurden in der Sakristei ein Tisch und sechs Stühle, welche das gleiche Dekor aufweisen wie die oberen Abschlüsse der gedrehten hölzernen Säulen im Kircheninneren. Diese dekorativen Stühle werden heute gerne bei den Trauungen benutzt.
Literatur (bearbeitet)
Albrecht Stenger, Evangelische Kirchengemeinde Mengede, Gemeindeführer für die evangelische Gemeinde, Mengede ,o.J.
Evangelische Kirche von Westfalen, Ev. Kirchengemeinde Remigiuskirche Dortmund-Mengede, Landeskirchenamt – Baureferat, Bielefeld 2004
Ev. St. Remigiuskirche Mengede, Westfälische Kunststätten, Heft 112, Münster 2012